Ein Jedermann
Jedermann ist Generaldirektor eines Stahlkonzerns. Während sein Reichtum im Original einfach gegeben ist, läßt Mitterer seine Hauptfigur dafür auch etwas tun: "Der alte Jedermann ist eher ein Playboy, und den gibt's ja nimmer. Es gibt, glaube ich, nur mehr den Gunther Sachs, wenn's den noch gibt. Die meisten Leute in dieser Gesellschaft sind hart arbeitende Menschen." Und während Jedermann bei Hofmannsthal unverheiratet ist, steht bei Mitterer auch eine Frau Jedermann im Personenverzeichnis: "So ein Mensch ist verheiratet, im Normalfall." So ein Mensch hat selbstverständlich auch eine Geliebte. Mitterers Buhlschaft ist die Sekretärin des Chefs, und sie hat den Zweitfrau-Status satt. Der Teufel tritt in Person eines "Trouble Shooters" auf. Der smarte Yuppie ist ein noch skrupelloserer Geschäftemacher als Jedermann, seine wahrlich satanischen Transaktionen retten das Unternehmen vor dem Ruin.
Der Gute Gesell, bei Hofmannsthal die personifizierte Freundschaft, ist niemand Geringerer als der Herr Bundeskanzler. Jedermann ist mit ihm per du.Auch die Hofmannsthalschen Allegorien sind in Mitterers Stück handfeste Figuren. Mammon ist natürlich ein Bankdirektor, und was im alten "Jedermann" die "guten Werke" verkörpern, ist im neuen Stück ein Gewerkschaftspräsident. Nur den "Glauben" hat Mitterer ersatzlos gestrichen- "weil eh niemand mehr was glaubt."
Daß er nicht nur Gott Vater, sondern auch Gott Sohn und Gott Heiliger Geist auftreten läßt, hat dem Autor schon eine Klage eingetragen: der Whisky trinkende und selbst gedrehte Zigaretten rauchende Jesus, der sich mit dem Heiligen Geist ständig in den
Haaren liegt, war in den Augen eines bibelfesten Zeitgenossen Blasphemie. Weil er einen billigen Skandal wie vor Turinis "Tod und Teufel" vermeiden will, hat Mitterer darauf hin einige inkriminierte Sätze gestrichen: "Darum geht's nicht. Ich möchte nicht, daß man sich jetzt auf drei Sätze konzentriert, und deswegen gehen dann die Leute rein."
Jedermann handelt mit Waffen, der Gewerkschaftspräsident wirkt wie ein Klon aus Rechberger und Ruhaltinger - dennoch will Mitterer "das Stück nicht auf österreichische Innenpolitik beschränkt wissen. Es spielt zwar hinein, was in den letzten Jahren bei uns passiert ist, aber das Stück kann genau sogut in Frankfurt spielen oder in Tokio oder in New York, glaube ich."
Sterben muß jedermann. International. Bevor Mitterers Jedermann den Managertod (Herzinfarkt) stirbt, findet er zwar nicht zu Gott, aber immerhin zu einer Art Einsicht: "Es kommt etwas auf, was diese Menschen überhaupt net brauchen können, und das ist, Gewissen zu haben", beschreibt's Helmut Lohner: "Er hat Bilder, mit denen er konfrontiert ist, je näher es geht. Und diese Visionen bringen ihn dazu, daß er zumindest mit schlechtestem Gewissen abkratzt."
Was den Schluß betrifft, gibt Mitterer zu,gescheitert zu sein: "Ich habe mich nicht an das gehalten, was ich mir vorgenommen hab. Ich habe mir nämlich gesagt, den mach ich fertig, bei mir kommt er nicht davon. Das hat mich nämlich beim alten Jedermann sehr geärgert. Ein bißI bereuen, beichten, und schon geht das Kamel durch das Nadelöhr. Das ist mir furchtbar auf die Nerven gegangen. Nur, die Geschichte entwickelt sich dann und schreibt sich mit der Zeit selber, und zum Schluß ist er auch bei mir nicht verdammt. Einfach, weil ich selber als Felix Mitterer niemanden für alle Ewigkeit verdammen möchte. Ich wollte einmal ein Stück schreiben, wo jemand was lernt. In den meisten Arbeiten von mir lernen die Leute ja leider nix."
(Von Wolfgang Kralicek; Wiener,Jänner1991)
Mitwirkende
Ort und Zeit der Handlung: Überall und zu jeder Zeit.
Gott Vater - Franz Reiner
Gott Sohn - Johann Wagner
Gott Heiliger Geist - Elke PreßI
Teufel (traditionell und als Trouble-Shooter) - Bernhard Pfusterer
Tod (traditionell und als Bürodiener) - Marko Breber
Jedermann (Generaldirektor) - Andreas Krautschneider
Jedermanns Mutter - Lotte Bachmann
Jedermanns Frau - Hannelore Gruber
Jedermanns Guter Gesell (Bundeskanzler) - Herbert F. Seiringer
Armer Nachbar (Unternehmer) - Herbert Seiringer
Schuldknecht (Unternehmer) - Andreas Distler
Buhlschaft (Jedermanns Sekretärin) - Michaela Pfusterer
Dicker Vetter (Kardinal) - Leopold Stammler
Dünner Vetter (Primarius) - Robert Breber
Mammon (Bankier) - Josef Kiener
Werke (Gewerkschaftspräsident) - Alois Hangler
Hungerndes Kind (asiatisch) - Christina Krautschneider
Amputiertes Kind (südamerikanisch) - Markus Gneiß
Hustendes Kind (europäisch) - Kerstin Krautschneider
Inszenierung - Josef Stammler
Bühnenplanung - Alois Hangler
Bühnenbild - Bruno Bachmann
Beleuchtung und Technik:
Manfred Fuchs, Markus Hofauer, Ernst Ornetsmüller, Wolfgang Reisinger, Franz Reiter
Requisite - Josef Kiener
Maske und Frisuren - Petra Kohberger
Souffleuse - Renate Gruber
Bühnenbau:
Marko und Robert Breber, Fritz Büchler, Andreas Distler, Thomas Ebner, Norbert Festner, Manfred Fuchs, Johannes und Reinhard Grünbacher, Norbert Habring, Renate und Alois Hangler, Markus Hofauer, Veronika Krautschneider, Veronika und Ernst Ornetsmüller, Andreas und Bernhard Pfusterer, Wolfgang Reisinger, Franz Reiter sen. u. jun., Herbert Seiringer, Leopold Stammler
Musikeinspielungen: A.Dvorak, SymphonieNr.9, "Aus der neuen Welt", 2. Satz: Largo und 4. Satz:
Allegro con fuoco, Wiener Philharmoniker unter Lorin Maazel, Aufnahme: DeutscheGrammophon,
Thomas Doss, "Lacrimosa", Marktmusik Timelkam unter Ernst Schacherleitner, Mitschnitt vom Konzertwertungsspiel in Bad Ischl am 22. Oktober 1995.
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